Tage der Ergonomie 2018

Von der Wissenschaft in die Praxis

Am 08./09. März 2018 fanden die 6. Tage der Ergonomie statt. Als Veranstaltungsort wurde wie bereits in den Jahren zuvor das Competence Center in Friedrichshafen gewählt. Mit fast 60 Teilnehmern aus Wissenschaft und Praxis konnte ein neuer Rekord aufgestellt und die Teilnehmeranzahl im Vergleich zum Jahr 2014 nahezu verdoppelt werden. Die Bemühungen der letzten Jahre, den ECN als Ergonomie-Kongress zu etablieren, tragen also mittlerweile Früchte.

Nachlese

von Dr.-Ing., Eur.Erg. Mario Penzkofer

Der Kongress wurde am Nachmittag des 08. März. von den Vorsitzenden des ECN Dr.-Ing. Stephan Riedel und Prof. Dr.-Ing. Karsten Kluth eröffnet. Prof. Kluth führte dann auch als Moderator souverän durch die weitere Veranstaltung.

Die Ehre des Eröffnungsvortrags kam in diesem Jahr Prof. Bengler (Präsident der GfA, TU München) zuteil. In einem anschaulichen Vortrag wurden die Gestaltung und Bewertung der Interaktion mit mobilen Robotern sowie die Aspekte der Mensch-Roboter-Koexistenz in den Fokus gerückt. Im Anschluss daran stand die Hand im Mittelpunkt. So wurde von Dieter Heyl eine Dehnbandage vorgestellt, welche das Auftreten des Karpaltunnelsyndroms vorbeugen bzw. die Auswirkungen lindern soll. Eben jenes Syndrom kann Auftreten, wenn bspw. handgeführte Arbeitsmittel mit großem Kraftaufwand in anatomischen Grenzbereichen des Handgelenks geführt werden müssen. Genau hier setzt das neuentwickelte Packbandabrollsystem ZeroTape der Firma Enviropack an, das im Rahmen einer ergonomischen Studie untersucht von Dr. Penzkofer vorgestellt wurde.

Nach Ausführungen von Prof. Stetter zum Sitzkomfort und der Ergonomie von Fahrzeugsitzen, war der erste Postervortrag an der Reihe. Frau Dr. Umstätter widmete sich, wie bereits in den Jahren zuvor, dem Thema Agrarwirtschaft. Durch ein von Ihrer Forschungsgruppe entwickeltes Tool ist es möglich, das Arbeitsaufkommen und daraus abgeleitet die Anzahl an Arbeitskräften zu ermitteln, die für eine optimale Bewirtschaftung eines Landwirtschaftsbetriebes notwendig sind. Zum Abschluss des Tages stellten Wissenschaftler der TU Dresden (Herr Gröllich und Herr Scherstjanoi) ihr Ergoscreen-Verfahren vor, das mit Hilfe von Tiefenbildkameras menschliche Bewegungen erfasst und bewertet.

Das Highlight der Veranstaltung war sicherlich die Verleihung der Ergonomie Preise für handgeführte Arbeitsmittel sowie das innovativste Produkt des Jahres in festlichem Ambiente auf Schloss Montfort. Frank Gillmeister schaffte es in seiner Laudatio, die Themen Humor und Witz mit den von der ECN-Jury ausgezeichneten Produkten Paketbandabroller und Gewehrschaft zu verbinden. Die Preise wurden von Vertretern der Firma Enviropack bzw. des Entwicklers entgegengenommen. In den kurzweiligen Dankesreden wurden die Motivation zur Entwicklung sowie die ergonomischen Potenziale des jeweiligen Produktes hervorgehoben. Bei feinstem Essen und Weinen der Region klang der Abend in lockerer Runde aus. Der nächste Tag begann mit den Präsentationen der Aussteller. Die Firma XSENS (NL) stellte zunächst ihr System zur Bewegungsanalyse und Erfassung vor, das kameraunabhängig in Felduntersuchungen eingesetzt werden kann. Die aufgezeichneten Daten und Bewegungen können anschließend mit Hilfe des ViveLab auf virtuelle Arbeitsplätze übertragen werden, was eine ergonomische Analyse noch in der Planungsphase möglich macht. Vertreter der Firma ViveLab ERGO (HU) konnten dies an der Analyse eines Montagearbeitsplatzes anschaulich präsentieren.

Im Rahmen der Vorstellung der Firma aeris konnte Josef Glöckl seine Ideen zum Active Office vermitteln. Die ausgestellten Produkte (swopper, active floor etc.) wurden während seiner lebhaften Ausführungen gerne von den Anwesenden getestet. Den Abschluss der Firmenvorstellungen machte der Ergonomie-Markt. Die Zeitschrift ist seit Beginn der Ergonomietage treuer Begleiter des ECN.

Die Vortragssession wurde an Tag 2 von Prof. Gebhardt (Institut aser, Wuppertal) eröffnet. Die Vorstellung aktueller Normen zur Bewertung von Klimabedingungen am Arbeitsplatz zeigte auf, dass in diesem Themenfeld – gerade bzgl. der Bewertung von Kältearbeitsplätzen – immer noch wissenschaftlicher Handlungsbedarf besteht.

Prof. Bombosch gab anschließend einen Einblick in die Forstwirtschaft mit ihren schwierigen Arbeitsbedingungen und Entlohnungsverfahren. Im 3. Vortrag des Tages stellte Herr Ördögh die Entwicklung und Anwendung des bereits gezeigten ViveLab vor. Erstaunlich in welch kurzer Zeit ein computerunterstütztes Bewertungshilfsmittel bis zur Marktreife entwickelt wurde. Die letzten Vorträge des Tages zeigten dann nochmal eindrucksvoll, welches breit gefächerte Themenfeld die Ergonomietage auch in diesem Jahr abdeckten. Herr Linde rückte einen Arbeitsplatz in den Fokus, der bislang kaum als untersuchenswert wahrgenommen wurde – Bartender. Hier waren nicht nur die Belastungen aus Arbeitszeit und Umgebung relevant, sondern vor allem die körperliche Beanspruchung durch das Cocktailmixen. In Selbstversuchen kamen die Anwesenden beim Shaken durchaus aus der Puste. Im letzten Vortrag berichtete Prof. Rotgans von seinen Erfahrungen aus der Zahnmedizin. Selbst im 21. Jahrhundert ist das Thema Ergonomie trotz steigender gesundheitlicher Beeinträchtigung der Zahnärzte (v.a. Rückenbeschwerden) noch nicht wirklich angekommen. Seine Praxisbeispiele zeigten, dass nicht der behandelnde Arzt bei der Entwicklung von Behandlungsstühlen in den Vordergrund gestellt wird, sondern vielmehr der Patient, obwohl dieser nur wenige Minuten im Jahr hier platznehmen muss.

Den Ausrichtern um Prof. Kluth und Wolfgang Schneider war dann das Schlusswort zu einem von der ersten bis zur letzten Minute perfekt organisierten Kongress vorbehalten. Wieder mal zeigte sich, dass der Veranstaltungsort am Bodensee mit seinem besonderen Ambiente perfekt für diesen Kongress geeignet ist. Glücklicherweise ist der Ausrichtungsort auch für die kommenden Jahre gesichert.

ECN-Ergonomiepreis

Die Preisträger der Ergonomie-Preise 2018 für herausragende Produktentwicklungen wurden durch eine unabhängige Jury vergeben. In der Kategorie „Innovative Ergonomie“ gewinnt ein Daumenabzug für ein modernes Hochleistungs-Sportgewehr, und in der Kategorie „Handgeführte Werkzeuge“ kann das Packband-System ZEROTAPE® überzeugen.

ECN-Ergonomiepreis 2018

Vorträge und Poster


Interaktion mit mobilen Robotern – Gestaltung und Bewertung

Prof. Dr. phil. Klaus Bengler, TU München

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Beschwerdefrei durch Dehnung

Dieter Heyl, CarpaStretch GmbH Achern

Konservative Behandlung des Karpaltunnelsyndroms KTSS

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Ergonomie in der Logistik – Paketbandabroller: Unscheinbares Hilfsmittel mit großer Wirkung

Dr.-Ing. Mario Penzkofer, Universität Siegen

In einer Vergleichsuntersuchung galt es verschiedene Paketbandabroller auf ihre ergonomische Qualität hin zu untersuchen. Fünfzehn Probanden sollten dabei definierte „Verklebeaufgaben“ absolvieren. Neben der subjektiven Beurteilung der Gestaltungsmerkmale der Abroller wurde geprüft, ob und wie sich die verschiedenen Konstruktionen objektiv nachweisbar auf die Muskelbeanspruchung auswirken. Dazu wurden die elektromyographischen Aktivitäten von insgesamt acht oberflächlich liegenden und an der Arbeitsaufgabe beteiligten Muskeln des rechten Hand-Arm-Schultersystems während des Paketverklebens mit den verschiedenen Abrollern abgeleitet. Die Ergebnisse belegen, dass durchaus signifikante Unterschiede in der muskulären Beanspruchung zwischen den Systemen bestehen. So wies der unter ergonomischen Gesichtspunkten neu entwickelte Abroller vor allem bei der betrachteten Engpassmuskulatur des Handgelenks substantiell niedrigere Beanspruchungen auf, wenngleich diese Verbesserung subjektiv nicht bestätigt werden konnte.

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Einfluss von physikalischen Schaumeigenschaften auf die Ergonomie von Fahrzeugsitzen

Prof. Dr.-Ing. Ralf Stetter, Hochschule Ravensburg-Weingarten

Gemäß aktuellen Forschungsergebnissen setzt sich Komfort aus Diskomfort und aktuellem Gefallen zusammen. Schäume besitzen eine besonders gut geeignete Federkennlinie und lassen sich wirtschaftlich herstellen.

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3D-Simulationssoftware ViveLab Ergo

Dipl. Des. Dipl. Inf. László Ördögh, ViveLab ERGO Ltd. Székesfehérvár

Die Produktionsunternehmen sind täglich mit den typischen Problemen unseres Zeitalters konfrontiert und müssen die entsprechenden Herausforderungen bestehen. Die zunehmende Alterung der Bevölkerung, der Arbeitskräftemangel und die Fluktuation verursachen Schwierigkeiten, mit denen gerechnet werden muss. Der Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers wird zu einem zentralen Thema. Das Risiko von Muskel-Skelett-Erkrankungen und Arbeitsunfällen muss reduziert werden. Die Unternehmen stehen wegen der rasanten Entwicklung der Technologie unter ständigem Druck, um Innovationen einzuführen, die Mehrkosten verursachen, sie müssen trotzdem wettbewerbsfähig bleiben. Die Lösung ist einfach: Es müssen optimale Arbeitsbedingungen geschaffen werden, um einen zuverlässigen und effizienten Ablauf des Produktionsprozesses zu sichern.

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Sensorgestützte Analysen arbeitsbedingter körperlicher Beschwerden von Bartendern

B.Sc. Phys. Jens Linde, ProDents®

Die körperlichen Belastungen von Bartendern/ Barmaids waren bislang noch nie Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen1. Weiterhin existieren keine geordneten empirischen Daten zum Thema. Im Auftrag der Campari Deutschland GmbH wurden explorative analytische Verfahren entwickelt, um die körperlichen Belastungen dieser Zielgruppe zu bestimmen und Lösungsansätze für die vielfältigen Beanspruchungen zu generieren. Mehrere Interviews mit renommierten nationalen und internationalen Bartendern bestätigten den erheblichen Bedarf an Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit der Zielgruppe.

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Zahnärztliche Ergonomie – Update 2018

Prof. Dr. drs. drs. Jerome Rotgans, AG „Arbeitswissenschaft und Zahnheilkunde in der DGZMK“

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