Praxiserfahrungen mit Methoden zur Arbeitsplatzbewertung
Auszug aus dem Vortrag von Dr. Rudolf Haller
Welche Aspekte einer Arbeitsplatzbewertung besonders leicht auch für „Nicht-Ergonomen“
verständlich und handhabbar sind, basiert auf der Erfahrung einer Reihe von
Ergonomie-Schulungen und in der Praxis angewendeten Methoden. Mit welchen Hilfsmitteln
sich die zeitliche Analyse eines Arbeitsprozesses, aber auch die Haltungsanalyse verbessern
lassen, steht im Mittelpunkt der Überlegungen.
Unter der Überschrift Verhältnis- versus Verhaltensprävention wird verdeutlicht,
dass viele Bewertungsverfahren ein Mix aus Belastungskenngrößen und Beanspruchungsdaten
sind. Deshalb ist es gerade auch bei der Haltungsbewertung wichtig, individuelle
Gewohnheiten mit zu betrachten und für eine ergonomische Verbesserung einer
Arbeitssituation auch die Eigenwahrnehmung und Haltungskontrolle einzubeziehen.
Arbeit
Was ist menschengerechte Arbeit?
-
Ausführbarkeit der Arbeit: Ist der Mensch überhaupt in der Lage, die von ihm verlangte
Arbeit auszuführen?
-
Arbeitszufriedenheit: Finden bei der Gestaltung der Arbeits-bedingungen die
(individuellen) Bedürfnisse des Menschen Berücksichtigung?
-
Zumutbarkeit der Arbeit: Werden gesellschaftliche Minimal-forderungen oder durch den
Gesetzgeber erlassene Satzungen eingehalten?
-
Erträglichkeit der Arbeit: Ist die Arbeit ohne Gefahr der Beeinträchtigung der
Gesundheit regelmäßig und ein Arbeitsleben lang auszuführen?
Ziele einer Arbeitsplatzbewertung
- Entlohnung, Arbeitsorganisation
- Arbeitssicherheit, Unfallrisiken
- Ergonomie, menschengerechte Gestaltung der Arbeitssituation
- Gesunderhaltung, Beanspruchung, Stressbelastung
-
Können Menschmodelle die Bandbreite möglicher Haltungen an einem Arbeitsplatz
darstellen?
Arbeit und Bewertung
Abbildung 1: Ausführbar, aber nicht erträglich
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Schädigungslosigkeit bedeutet, dass die Arbeit zu keinen unmittelbaren Gesundheitsschäden
führt.(Verletzung, Arbeitsunfall)
Erträglichkeit bedeutet, dass durch die Arbeit auch langfristig keine gesundheitlichen
Schädigungen verursacht werden. (arbeitsbedingte Erkrankung, Berufskrankheit)
Wie entstehen Erkrankungen
Abbildung 2: Erkrankungsentstehung
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Bewerter und Bewertungsmethoden
Bewertung durch
- Analyse von Arbeitsplätzen durch Ergonomie-Experten
- Ergonomie-Crashkurs und Methoden-Vermittlung an Nicht-Experten
- Etablierunge eines Prozesses zur Ergonomie-Bewertung
- Verifikation oder Präzisierung von bekannten Problemen (externes Consulting)
Vorhandenes Wissen in Betrieben
- Arbeitssicherheits-Fachkräfte
- Lastenhandhabung an stationären Arbeitsplätzen
- Beleuchtung und Klima
- Ergonomische Normen
Defizite
- Statische und dynamische Haltungsbewertung
- Individuelle Anforderungen und Anpassungen
Grundsätzliche Entscheidung bei Bewertungsmethoden
Einfachheit oder Genauigkeit
Beispiel Methode NIOSH-Hebeformel: Was ist NIOSH?
- Das NIOSH gehört zum Gesundheitsministerium der USA
-
Es arbeitet auf dem Gebiet der Prävention arbeitsbedingter Krankheiten, Verletzungen,
Behinderungen und Todesfälle durch:
- Sammeln von Informationen
- Durchführen wissenschaftlicher Forschungen
- Umsetzung des gewonnenen Wissens in Produkte und Dienstleistungen
-
Es ist beauftragt, ein Werkzeug zur Bestimmung der „sicheren“ Grenzwerte für das
Heben von Hand in der Industrie zu erstellen
NIOSH-Hebeformel?
Die NIOSH-Hebeformel wird verwendet, um beidhändige symmetrische/asymmetrische Hebe- oder
Senkvorgänge zu bewerten. Die revidierte NIOSH-Hebeformel verwendet eine Gewichtskonstante
LC (23.2 kg) und 6 Multiplikatoren, um einen Grenzwert für das Heben zu ermitteln(RWL)
Abbildung 3: Ermittlung des Grenzwertes für das Heben
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Die 6 Multiplikatoren
- Vertikale Position (VM)
- Bewegungsdistanz (DM)
- Asymetriewinkel (AM)
- Häufigkeits und Dauer (FM2, FM1)
- Kopplung (CM)
Beispiel Tätigkeitsvariable Horizontale Position (HM)
Abbildung 4: Beispiel HM
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RWL = LC x HM x VM x DM x AM x FM x CM
Abbildung 5: Horizontale Position (HM)
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Beispiel: Befüllen einer Stanz-Maschine
Abbildung 6: Befüllen einer Stanz-Maschine
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Beispielhafte Berechnung für das RWL
Abbildung 7: Beispielhafte Berechnung für das RWL
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RWLA= 20 x 0,44 x 0,94 x 0,86 x 1 x 1 x 0,95 = 6,75 kg
Beispiel Methode Ergonomic Risk Assessment (ERA)
Abbildung 8: Ergonomic Risk Assessment (ERA): Analyse der Belastung einzelner
Körperteile
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Beurteilen des Risikos oder der Wahrscheinlichkeit einer Überbeanspruchung in einem
bestimmten Körperteil durch die Vergabe von Punkten
Einordnung von Körperhaltungen
Abbildung 9: Haltungsbewertung: Diese Haltungsbewertung ist leicht verständlich und
anwendbar
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Wie stark wird der Körper beansprucht?
Abbildung 10: Haltungsbewertung = Beanspruchungsmessung!
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Praxisbeispiel
Videoaufnahmen + Fotosequenzen unabdingbar für die Erfassung von Belastungsfaktoren
Zeit/Mengengerüst Vor Ort schlecht erfassbar, da Arbeitsprozess (Anfang/Ende) und
individuelle Variationen „stören“
Abbildung 11: Praxisbeispiel
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Was tun mit Bewertungen ?
- Belastungsprofile bewerten
- Engpässe erkennen
- Gestaltungslösungen ableiten:
- ergonomische Gestaltung
- Organisatorische Optimierung
- Job Rotation
- Arbeitstechniktraining
- Betriebwirtschaftliche Betrachtung von Lösungen/Kosten
Belastungs- oder Beanspruchungsmessung
- Was erfassen die verschiedenen Methoden?
- Wie hilfreich/aufwändig sind die zu bewertenden Kategorien?
- Welche praktische Bedeutung haben die Teilergebnisse?
Abbildung 12: Belastung
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praktische Bedeutung der Teilergebnisse
- für Verbesserungsvorschläge
- für Relativbewertung
- als Diskussionsbasis für interne Prozesse
Belastung und Beanspruchung
Abbildung 13: Belastung und Beanspruchung
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Fazit
- Wir brauchen Verhältnis- und Verhaltensprävention
-
für Letztere ist über reine Haltungsbewertung hinaus eine Zeitraffer-Demo notwendig.
(Erlebbarkeit einer schädlichen Langzeitwirkung)
-
Eine geeignete Summations-Methode von Belastungsprofilen für Mischarbeitsplätze
fehlt.
-
Es gibt immer noch ganz simple (unergonomische) Fragen: Was ist besser:
stehen oder sitzen?
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Können Menschmodelle die Bandbreite möglicher Haltungen an einem Arbeitsplatz
darstellen?
Probleme bei Anwendung der Methoden
-
Praktische Hebevorgänge sind meist vielfältiger als mit einfachen Methoden zu erfassen
- Grenzen einer Methode für „angelernte Ergonomen“ schwer zu erfassen.
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-
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